Kürzlich sind die Dreharbeiten zu einem Film zu Ende gegangen, der hier in Zusammenhang mit dem Trend zur Adaption in Österreich bereits erwähnt wurde. „Licht“, die aktuelle Arbeit von Regisseurin Barbara Albert, basiert frei auf Alissa Walsers Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“, in dem die Geschichte des Arztes und „Wunderheilers“ Franz Anton Mesmer und der 17-jährigen blinden Maria Theresia Paradis erzählt wird. Der „Low-Budget-Rokokofilm“ (afc-Interview) nach einem Drehbuch von Kathrin Resetarits rückt „Resi“ Paradis (Maria Dragus) in den Mittelpunkt. Die junge Frau aus gutem Haus sorgte zur Zeit der Wiener Klassik als musikalisches Wunderkind für Furore. Im Unterschied zur literarischen Vorlage nimmt der Film auch das Leben der Dienstboten in den Blick. Mit ca. 4,4 Mio. Euro dürfte das Produktionsbudget weit über dem liegen, was für andere aktuelle österreichische Coming-Of-Age-Adaptionen („Beautiful Girl, „Chucks“, „Die Mitte der Welt“) aufgewendet wurde. Man kann davon ausgehen, dass „Licht“ auch deren Einspielergebnisse überflügeln wird.
Dass Adaptionen hierzulande kommerziell erfolgreich sein können, wurde bereits hinlänglich bewiesen, so befinden sich unter den 10 besucherstärksten österreichischen Filmen der letzten 10 Jahre 6 Werke, die auf literarischen Vorlagen basieren. Dazu gehören die Haas-Verfilmungen „Das ewige Leben“ und „Der Knochenmann“ (Regie: Wolfgang Murnberger), die preisgekrönten Dramen „Die Fälscher“ (Regie: Stefan Ruzowitzky) und „Das Finstere Tal“ (Regie: Andreas Prochaska), sowie die Kinderfilme „Hexe Lilli – Der Drache und das magische Buch“ (Regie: Stefan Ruzowitzky) und „Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft“ (Regie: Sven Unterwaldt Jr).
Literatur filmisch umzusetzen hat in Österreich, vor allem auch im Fernsehen, Tradition. Lange bevor er für die „Die Klavierspielerin“ (nach einem Roman von Elfriede Jelinek) in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, hat sich der Regisseur Michael Haneke 1994 in einem Interview1 äußerst zwiespältig zum Thema Literaturverfilmungen geäußert und das obwohl – oder gerade weil – er zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere literarische Stoffe (z. b. Ingeborg Bachmanns „Drei Wege zum See“) für das Fernsehen adaptiert hatte. Weil die öffentlich-rechtlichen Sender in Österreich einen Bildungsauftrag zu erfüllen haben, gelte es, bei Literaturadaptionen den Vorlagen möglichst „gerecht“ zu werden. Dieser Aussage sind mehrere Jahrzehnte vorausgegangen, in denen vom ORF zahlreiche Verfilmungen von Werken etablierter klassischer Autoren in Auftrag gegeben wurden, bei deren filmischer Umsetzung das Gebot der „Werktreue“ eine wichtige Rolle gespielt hat.
Zu den meist adaptierten österreichischen Schriftstellern in der Filmgeschichte gehören – und zwar den Credits in der IMDb entsprechend ungefähr in dieser Reihenfolge – Arthur Schnitzler (1862-1931), Franz Kafka (1883-1924), Stefan Zweig (1881-1942), Johann Nestroy (1801-1862), Ödön von Horvath (1901-1938), Ludwig Anzengruber (1839-1889) und Joseph Roth (1894-1939). Die Volksdramatiker Nestroy und Anzengruber, sowie der Romancier Roth sind zwar etwas aus der Mode gekommen sind, dafür sind Schnitzler, Zweig, Horvath und Kafka auch heute noch Ideengeber sowohl für den Filmnachwuchs, als auch für etablierte Regisseure. Stefan Zweig etwa hat zuletzt Patrice Leconte („Ein Versprechen“) und Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) inspiriert. Eine Novelle Schnitzlers wurde von der Wiener Jungregisseurin Anna Martinetz mit ihrem 70-minütigen Spielfilm „Fräulein Else“ in die Gegenwart transformiert und Franz Kafka ist überhaupt Quelle einer ganze Reihe von Kurzfilmen junger Regisseure/innen.
Öfter greifen Filmemacher/innen heutzutage jedoch auf zeitgenössische Literatur zu. Das Postulat der Werktreue ist dabei in den Hintergrund gerückt, die Filmemacher/innen orientieren sich viel stärker an den Gesetzmäßigkeiten des Unterhaltungsfernsehens oder der Filmkunst. Für den kleinen Bildschirm wird häufig populäre Genreliteratur (z. B. Krimis) adaptiert, auf der Kinoleinwand sind öfters Adaptionen anspruchsvoller Populärliteratur zu sehen. Das waren neben den bereits erwähnten Haas-Verfilmungen in den letzten Jahren unter anderem mehrere Kehlmann-Verfilmungen („Die Vermessung der Welt“, „Ruhm“, „Ich und Kaminski“) oder auch „Der Kameramörder“ und „Wie man leben soll“ (nach Romanen von Thomas Glavinic). In jüngster Zeit wurden vermehrt die literarischen Werke von Frauen filmisch umgesetzt („Chucks“, „Gruber geht“, „Beautiful Girl“). Hier schließt das eingangs erwähnte, historische Coming-of-Age-Drama „Licht“ von Barbara Albert an, das 2017 in die Kinos kommen wird.
Anmerkung:
1 Haneke Michael: Interview. Literatur folgt einer anderen Struktur als Film. In: Diethardt, Ulrike / Polt-Heinzl, Evelyne / Schmidjell, Christine (Hrsg.): Fern-Sicht auf Bücher. Materialienband zu Verfilmungen österreichischer Literatur. Filmografie 1945 – 1994. Dokumentationsstelle für Neuere Österreichische Literatur 1995, S. 11-22.
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