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Figuren, Serien

TV-Charaktere: Manipulative Bastards

Jackie Peyton („Nurse Jackie“)

Ein Zeitvertreib, für den wir einst gelegentlich Papier und Bleistift in die Hand nahmen, hat im Internet Hochkonjunktur: Hitlisten erstellen. Im Netz sind zu jedem Thema Best-Ofs zu finden, das gilt insbesondere auch in Bezug auf Fernsehserien, so werden etwa die beliebtesten, die meist gehassten oder die sträflichst unterschätzten Charaktere ständig neu sortiert und nummeriert. Wenig überraschend gibt es auch Ranglisten, die manipulative Serienfiguren aufzählen. Darin tauchen unter anderem die üblichen Verdächtigen Tony Soprano (James Gandolfini), Vic Mackey (Michael Chiklis) und Walter White (Bryan Cranston) auf.

Tony Soprano, Pionier der Antihelden-Ära, ist zwar der Manipulation fähig, sie ist aber nicht sein bevorzugtes Mittel, wenn es darum geht, sich einen Vorteil zu verschaffen. Manipulation ist für den gelernten Mafioso aus „The Sopranos“ (HBO, 1999-2007) wie die Gewaltausübung ein notwendiges Übel, das er eigentlich verabscheut. Im Gegensatz dazu kennt der korrupte Cop Vic Mackey aus der Kultserie „The Shield“ (FX, 2002-2008) keine Skrupel. Es gibt in der Fernsehgeschichte wahrscheinlich wenige Figuren, die zum eigenen Vorteil so hemmungslos auf der Klaviatur der Gefühle ihrer Mitmenschen spielen, wie der empathiefähige Vic. Dem ehemaligen Chemielehrer Walter White aus „Breaking Bad“ (AMC, 2008-2013) scheint es im Verlauf von fünf Staffeln sogar zunehmend Spaß zu bereiten, nicht nur seine Gegner, sondern auch seinen Partner Jesse zu manipulieren.

Bevor der Eindruck entsteht, dass Männer die Meister der psychologischen Manipulation sind: Uproxx hat eine Frau zur Siegerin in dieser Disziplin gekürt. Jemma Teller (Katey Sagal) ist die Mutter und gleichzeitig Antagonistin des Protagonisten des Crime-Dramas „Sons of Anarchy“ (FX, 2008-2014). Mit ihren Psychotricks hindert sie den Sohn (Charlie Hunnam) am Ausstieg aus der kriminellen Biker-Gang SAMCRO und am Ende bringt sie ihn sogar dazu (Achtung Spoiler!), sie zu erschießen. Während Jemma den Fernsehzuseher/innen als beliebtes Hassobjekt dient, sind manipulative Protagonistinnen anderer Drama-Serien beim Publikum beliebt. Da wäre zunächst einmal Jackie Peyton (Edie Falco) zu nennen. Die Protagonistin des ungewöhnlichen, vielfach ausgezeichneten Medical-Dramas „Nurse Jackie“ (Showtime, 2009-2015) ist hochgradig emphatisch und verfügt bei Bedarf auch über Charme. Wenn es aber darum geht, ihre Sucht nach Tabletten zu stillen, kann sie perfide lügen und betrügen.

Auf der Internetseite TV Tropes werden manipulative Typen nach ihren bevorzugten Tricks unterschieden. Demnach gibt es z. B. die Verführer, die charismatischen Charmeure oder die kühl Berechnenden, die die Schwächen ihrer Mitmenschen gezielt ausnutzen. In letztere Kategorie fällt Rachel Goldberg (Shiri Appleby) aus der Drama-Serie „UnReal“ (Lifetime, seit 2015). Die Producerin einer Reality-Datingshow, die im Piloten ein T-Shirt mit der Aufschrift „This is what a feminist looks like“ trägt, ist äußerst talentiert darin, für die Kamera emotionale Reaktionen der Heiratskandidatinnen zu provozieren. Mit ihrem ausgeprägten Einfühlungsvermögen kann sie fast jede Bewerberin dazu bringen fast alles zu tun. Rachel – und hierin erinnert sie an Tony Soprano – verabscheut sich aber für das was sie tut.

Dass man die Fähigkeit zur Manipulation als soziale Kompetenz betrachten kann, ist nichts Neues. Sie hilft nicht nur Rachel bei der Ausübung ihres – zugegebenermaßen wenig respektablen – Jobs, sondern auch Nurse Jackie bei der Ausübung des ihren. Wie es sich für vielschichtige Antihelden gehört, haben die beiden Ladies aber innere Dämonen, die sie dazu verleiten, die Grenzen der Moral weit zu überschreiten. Jackie ist in ihre Medikamentenabhängigkeit verstrickt und Rachel in zwei verhängnisvolle Beziehungen. Da ist einerseits ihre Mutter, eine Therapeutin, die Rachels Wesen in übergriffiger Weise pathologisiert und andererseits ihre Chefin Quinn King (Constance Zimmer), die ihre beste Producerin mit nicht weniger manipulativen Mitteln an sich und den verhassten Job bindet.

Ein Paar, das über sein unmoralisches Tun im Einverständnis lebt, steht im Mittelpunkt des viel beachteten Political-Dramas „House of Cards“ (Netflix, seit 2013). Dessen Protagonist Frank Underwood (Kevin Spacey) ist ein begnadeter Stratege, der auf seinem Weg ins Oval Office vor keiner Tat zurückschreckt. Um in Franks Spinnennetz den Überblick zu behalten, hat die Huffington Post sogar eine Infografik veröffentlicht. Auch Franks Frau Claire (Robin Wright) weiß die Schwächen ihrer gemeinsamen Gegner geschickt zu nutzen. Nicht zu Unrecht wird sie mit einer anderen kühlen Blonden verglichen, die ihr auf dem Weg zur Macht skrupellos vorausgegangen ist: Patty Hewes (Glenn Close) aus „Damages“ (FX, 2007-2012).
Zur Jobbeschreibung gehört Manipulation auch für das Ehepaar Jennings aus der Agenten-Serie „The Americans“ (FX). Die Fähigkeit dazu ist für die KGB-Spione Elizabeth (Keri Russell) und Philip (Matthew Rhys) sogar überlebensnotwendig. Sie hilft ihnen nicht nur bei der Erfüllung ihrer riskanten Aufträge, sondern auch bei der Aufrechterhaltung der Fassade einer normalen amerikanischen Familie. Bei dieser Serie handelt es sich übrigens ebenfalls um eine Produktion von FX, jenem Sender, dem wir einige der interessantesten Antihelden verdanken.

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