Rückblick
Hier wurden im Mai 2012 in einer 3-teiligen Serie schon einmal ausführlich die Entwicklungen, die mit der Zunahme von Streamingangeboten einhergehen, behandelt. In Teil I ging es (mit Blick auf Genres) um originalen Content auf Netflix (z. B. „House of Cards“, „Hemlock Grove“) und Hulu (z. B. „Battleground“, „A day in the Life“). In Teil II wurde ein Überblick über die Streamingcontent-Pläne von Yahoo!, YouTube und Amazon gegeben. Teil III hat sich mit On-Demand-Angeboten im deutschsprachigen Raum beschäftigt.
House of Cards: Ein Wendepunkt?
Mit der kürzlich auf Netflix zur Verfügung gestellten adaptierten Polit-Serie „House of Cards“ wurde nun eine facettenreiche Debatte entfacht, unter anderem weil Netflix alle 13 Episoden gleichzeitig online gestellt hat. Welche Auswirkungen es auf das „Goldene Zeitalter des Fernsehens“ haben könnte, wenn neue Player aus dem Streamingsegment mit originalen Programmen „Cord-Cutting“ vorantreiben, darum ging es zum Beispiel kürzlich in einem Artikel auf Drama Blog. Hier wird es nun um Produktions- und Distributionsaspekte von Netflix-Programmen gehen und in aller Kürze auch um die Frage, warum deren Beachtung für Drebuchautor/inn/en interessant sein könnte.
Produktion & Distribution
Netflix dürfte Medienberichten zufolge knapp 4 Millionen $ pro Episode von „House of Cards“ bezahlt haben (100 Millionen $ für zwei Staffeln). Zum Vergleich: die Kosten für eine Folge von „Mad Men“ oder etwa auch „CSI“ dürften bei etwa 2,6 Millionen $ liegen, österreichische Krimiserien kosten zwischen 500.000 und 650.000 € pro Folge. Produziert wurde „House of Cards“ von der Film- und Fernsehproduktion Media Rights Capital („Elysium“, „Ted“, „The Ricky Gervais Show“) in Kooperation mit Kevin Spaceys Trigger Street Productions und David Finchers Panic Pictures. Bekanntlich handelt es sich bei „House of Cards“ nicht um die erste Serie, die in den USA exklusiv auf Netflix gestartet ist. Dieser Titel gehört der vom öffentlich-rechtlichen norwegischen NRK in Auftrag gegebenen Dramedy „Lilyhammer“. Aufgrund der ungewöhnlichen Entstehungs- und Distributionsgeschichte verfügte Netflix über eingeschränkte Ausstrahlungsrechte für die Serie „Lilyhammer“, die hierzulande voraussichtlich im Herbst starten wird.
Bei „House of Cards“ hat Netflix nun alle Karten in der Hand: Wie schon erwähnt, wurde die gesamte erste Staffel für Netflix-Abonnent/inn/en (USA, Kanada, Lateinamerika, UK und Irland) verfügbar gemacht. Außerdem haben Sky-Atlantic-Kunden in Österreich und Deutschland schon wenige Tage nach dem US-Serienstart den Piloten zu sehen bekommen. Im Gegensatz zu Netflix-Abonent/inn/en müssen sich die Sky-Kunden allerdings mit einer wöchentlichen Ausstrahlung begnügen. Die Entscheidung von Netflix für Sky Antlantic mutet überraschend an, denn der Pay-TV-Sender strahlt als Partner von HBO eine ganze Reihe hochwertiger HBO-Serien aus. Im Kontrast dazu wurde Ted Sarandos (Netflix Chief Content Officer) kürzlich in GQ Entertainment mit der Aussage „The goal is to become HBO faster than HBO can become us“ zitiert. Sarandos kündigte auch an, dass Netflix jährlich fünf Serien in Auftrag geben wolle. In diesem Jahr ist mit der Horror-Serie „Hemlock Grove“ (Eli Roth ist als Producer und Regisseur mit im Boot), dem Frauengefängnis-Drama „Orange Is the New Black“ von Jenji Kohan („Weeds“) und der wiederbelebten Comedy-Serie „Arrested Development“ zu rechnen. Unterwegs sind außerdem „Derek“ (Ricky Gervais) und die zweite Staffel von „Lilyhammer“.
Revival von Fernsehserien
Netflix wird die fünfte Staffel der ehemaligen Fox-Comedy „Arrested Development“ (2003 – 2006) voraussichtlich im Mai unter die treuen Fans bringen. Ein paar Dinge gilt es dann zu beobachten, unter anderem: wird Netflix wieder alle 14 Episoden gleichzeitig online stellen und ist an den Gerüchten, nach denen diese Staffel nur die Vorbereitung auf einen Kinofilm sei, etwas dran? „Arrested Development“ ist jedenfalls nicht die einzige Serie, die ein Revival auf einer Streamingplattform erleben wird. Für einen Reboot auf einer Vod-Plattform im Gespräch war auch das adaptierte Crime-Drama „The Killing“ (bevor sich AMC doch zu einer Erneuerung entschlossen hat) und mit Netflix verhandelt wird weiterhin die Wiederbelebung des apokalyptischen Sci-Fi-Dramas „Jericho“ (2006 – 2008). Die Gerüchte, dass „Pan Am“ von Amazon aufgegriffen werden könnte, sind dagegen verstummt. Bekanntgegeben wurde im Sommer 2012 auch, dass die Streamingplattform Hulu die vierte Staffel der BBC-Serie „The Thick of It“ (2006 – 2009) ko-produzieren würde.
Innovation im Storytelling
„What if you could radically alter the way stories get told?“ – Mit dieser Aussage wird Ted Sarandos im schon erwähnten GQ-Artikel zitiert. Auch wenn in der schönen neuen VoD-Zukunft Spielfilme potentiell aus dem 90 bis 120-Minuten-Korsett befreit werden könnten und die Netflix-Macher viel über Innovation im Storytelling reden, gibt es ein paar Indizien dafür, dass die formale Innovation durchaus bei anderen Streamingdiensten vonstatten gehen könnte. Während sich Hulu um experimentierfreudige Filmemacher wie Richard Linklater oder etwa auch Morgan Spurlock bemüht, kooperiert Netflix mit Film- und Fernsehmacher/innen, die zwar anspruchsvolle Produktionen abliefern, die sich aber tendenziell an bewährten Muster orientieren. YouTube hat sich für seine fiktionalen Vorzeigeprojekte „H+“ (Bryan Singer) und WIGS (Jon Avnet und Rodrigo Garcia) ebenfalls mit erfahrenen Film- und Fernsehmacher/inn/n zusammen getan, aber YouTube beschreitet mit jungen Video-Produzent/inn/en auch andere Wege,.
Die Netflix-Betreiber sprechen auch davon, dass die Verfügbarmachung gesamter Staffeln ein Innovations-Potential berge, aber dieses dürfte zu einem Gutteil durch die DVD-Edition schon ausgeschöpft worden sein, denn es ist wahrscheinlich nicht allzu wagemutig zu behaupten, dass sich der Trend zu Fortsetzungensserien (serial) gegenüber Episodenserien durchaus auch der DVD-Serien-Box verdankt. So lange Streamingplattformen ihre originalen Serien mehrfach verwerten und Rechte an Fernsehsender mit konventionellen Ausstrahlungsmodellen verkaufen wollen, wird die Drama-Serie nicht auf den Kopf gestellt werden.
Genre-Innovation?
Vielleicht bekommen nach einem Jahrzehnt herausragender Drama-Serien und einem Boom von Krimi-Serien mit Streamingplattformen andere Genres Aufwind? Vorstellbar ist zum Beispiel, dass sich das Horror- und Thriller-Genre neue Nischen erschließen könnte. Naheliegend wäre auch eine inhaltliche und formale Innovation im Bereich der Comedy, des Dokumentarischen und bei Reality Formaten und hier könnten wie gesagt andere Player die Nase vorn haben. tbc
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