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Adaption, Literaturadaption

Literaturadaption: We Need To Talk About Kevin

Struktur und Thema der Romanvorlage (Spoiler Alert!)

Die Journalistin und Autorin Lionel Shriver hat mit „Wir müssen über Kevin reden“ einen Briefroman verfasst, in dem sich ihre Hauptfigur den Kopf darüber zermartert, warum der Sohn zum Killer wurde. Dabei interessiert sich Shriver nicht für die  Wirkungen von 3D-Shootern, sondern vielmehr für die Beziehungs- und Erziehungsdynamiken, die solchen Vorfällen vorausgehen.  Die Romanverfilmung von Lynne Ramsay („Ratcatcher“, „Morvern Callar“) kommt demnächst ins Kino. Trailer:

Struktur der Vorlage
Der Roman besteht aus 28 Briefen, die die etwa 55-jährige Eva Khatchadourian über ein halbes Jahr (zwischen November 2000 und April 2001) an ihren Mann Franklin schreibt. In ihren mit einigem Sarkasmus gewürzten Erinnerungen geht sie bis zum Beginn der 80er Jahre zurück, also bis in die Zeit vor der Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes. Die im Roman erinnerte Zeit umfasst in etwa 20 Jahre. Mit dem Schreiben dieser Briefe will sie herausfinden, warum ihr Kind, Kevin, an einem Donnerstag im April 1999 (also kurz vor dem realen Columbine Massaker) elf Menschen umbrachte. Im Zentrum stehen die Beziehung zu ihrer Mutterschaft, zu ihrem Kind und zu ihrem Mann.

Thema
Evas Briefe kreisen um die Frage, ob sie eine schwierige Beziehung zu Kevin hatte, weil er schon immer ein „böses“ Kind war oder ob er wegen der schwierigen Eltern-Kind-Beziehung „böse“ wurde. Am Ende überlässt sie die Beantwortung dieser Frage den Leser/inne/n.

Emotionale Reise von Eva
Trotz gering ausgeprägtem Kinderwunsch entscheidet sich Eva für eine Mutterschaft, aber schon in der Schwangerschaft gären Zweifel. Lionel Shriver schreibt in einem Guardian-Artikel über die von ihrer eigenen Mutter inspirierten Hauptfigur: Eva erlebt die Schwangerschaft als eine Invasion. Als ihr der Neugeborene zum ersten Mal an die Brust gelegt wird, fühlt sie zu ihrem eigenen Entsetzen nichts. Sie schreibt dem unentwegt brüllenden Baby die verschlagene Absicht zu, ihre Ehe zerstören zu wollen. Eva findet die Betreuung des Kleinkindes dumpf und ist überzeugt von dessen Bösartigkeit. Ihre Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten, als Kevin mit 15 Jahren elf Menschen umbringt.

Auf Evas Achterbahnfahrt gibt es zwei überraschende Wendepunkte:
– Eva will und bekommt – gegen den Widerstand ihres Mannes – nach einer 7-jährigen Tour de Force mit dem ersten Kind ein zweites: Tochter Celia wird geboren.
– Nachdem Kevin 11 Menschen umgebracht und seine Anwaltskosten Evas großes Vermögen aufgefressen haben, entdeckt sie am Ende ihre Zuneigung für den Sohn.

Charakter der Hauptfigur
Der Charakter der Hauptfigur wird von ihr selber auf über 500 Seiten aufgeblättert. Gezeichnet wird das Bild einer Frau, die kritisch, eigenwillig, unabhängig und selbstbewusst ist. Sie kommt mit den Einschränkungen und Bevormundungen, die ihr als einer schwangeren und gebärenden Frau von ihrem Umfeld (z. B. Kindsvater, Ärzten) und der Gesellschaft entgegengebracht werden, nicht zurecht. In Kombination mit ihren anderen Eigenschaften, nämlich Ehrgeiz und Durchsetzungswillen, nimmt die Familiengeschichte einen fatalen Verlauf: Je mehr sie versucht eine Mutter zu sein, desto mehr gerät alles aus den Fugen.

Genre: Kevin und das Böse
Dämonische Babys und Kinder sind zwar ein beliebtes Motiv in Horrorfilmen, der Trailer und die IMDB-Kategorisierung  von „We Need To Talk About Kevin“ kündigen jedoch ein Drama mit Thrillerelementen an. Der Roman liefert Evas subjektive Einschätzung dessen, was Kevin ist: Ein abweisendes, destruktives, böses Kind. Ob er ihre Brust ablehnt oder ununterbrochen schreit: Sein Verhalten ist ein Angriff auf ihr Wohlbefinden und auf die Beziehung mit ihrem Mann. Ob er all die Verletzungen, Zerstörungen und Diffamierungen, deren sie ihn verdächtigt, tatsächlich begangen hat, oder ob Eva sich alles nur einbildet, darüber werden die Leser/innen auf geschickte Weise im beunruhigenden Dunkeln gelassen. Auch wenn es nie einen Beweis für Kevins Schuld gibt, so findet Eva doch immer plausibel scheinende Hinweise, die ihre Zweifel (und die er Leser/innen) nähren. Wie diese Zweifel für die Zuschauer/innen erfahrbar gemacht werden, ist eines der Dinge, auf die man bei dieser Adaption gespannt sein darf.

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